zielscheibe  
Studienberatung
Ausbildungsberatung
Bewerbungsberatung
Unterlagenservice
 
  HOME ::
   
 
Autor: ANDREA PAWLIK
Fundstelle: HAMBURGER ABENDBLATT
Datum: 22. Januar 2005
Zum Textausdruck
 

Klartext: "Cool" zu sein, reicht nicht

Matthias Saecker über die Qualifikation von
Schulabgängern: Fast jeder zweite
Bewerber erfüllt die Anforderungen nicht
mehr.

ABENDBLATT: Pro Jahr bewerben sich rund 3000
angehende Auszubildende bei der Haspa - wie
qualifiziert sind sie?
MATTHIAS SAECKER: Die Qualität der Bewerbungen ist
in den letzten Jahren schlechter geworden. Inzwischen
erfüllt jede zweite bis dritte Bewerbung nicht mehr
unsere Anforderungen. Und das ist nicht nur in unserer
Branche so. Ich höre von Kollegen der
unterschiedlichsten Unternehmen, daß das Niveau der
Bewerber gesunken ist. In den Einstellungstests fehlt es
manchmal an den einfachsten Dingen, wie zum Beispiel
im Kopf auszurechnen, wieviel acht Prozent eines
Betrags sind. Wir stellen sowohl bei Realschülern als
auch bei Gymnasiasten fest, daß die Zensuren um bis
zu eine Note schlechter ausfallen als noch vor wenigen
Jahren.

ABENDBLATT: Wie gut sind die sozialen Kompetenzen
der Bewerber ausgebildet?
SAECKER: Auch hier stellen wir den Trend fest, daß
immer mehr Bewerber unsere Anforderungen nicht
ausreichend erfüllen. Soziale Kompetenz machen wir
daran fest, was ein Bankkaufmann in der Praxis leisten
muß. Das fängt im zwischenmenschlichen Umgang an.
Der Kunde erwartet eine Behandlung, die zuverlässig,
freundlich und kompetent ist. In unserem Beruf haben
wir es mit unsichtbaren Produkten zu tun. Um so mehr
muß der Bankkaufmann über seine Persönlichkeit eine
Vertrauensbasis beim Kunden entwickeln. Doch es gibt
Bewerber, denen fehlt es an den einfachsten
Benimmregeln wie freundlichem Grüßen, Blickkontakt
halten, andere ausreden lassen. Das Problem ist: Wenn
man 20 Jahre lang bestimmte Verhaltensweisen nicht
verinnerlicht hat, wird es schwierig, sie überhaupt noch
zu entwickeln. Das ist anders als im Fachlichen. Wenn
man dort mal was versäumt hat, kann man es
nachlernen. Aber wir Ausbilder müssen bei unseren
Azubis die einfachen Grundregeln des Benehmens
voraussetzen können. Es ist wichtig, daß das schon in
Familie und Schule gelernt wird.

ABENDBLATT: Wie können Schule und Eltern das
leisten?
SAECKER: Die Schule ist nicht allein aufgerufen, der
Schwerpunkt muß im Elternhaus liegen. Eltern sollten
darauf achten, wie Kinder sich verhalten und äußern.
Wenn Jugendliche sich zum Beispiel häufig
umgangssprachlich ausdrücken, weil sie es als "cool"
empfinden, besteht die Gefahr, daß sich das mit der
Zeit verfestigt, ohne bewußt wahrgenommen zu
werden. Auf so etwas sollten Eltern achten und ihren
Kindern Feedback geben.

ABENDBLATT: Warum ist die Qualität der Bewerber
gesunken?
SAECKER: Zum Beispiel, weil Jugendliche zuviel
Fernsehen konsumieren, statt ein gutes Buch zu lesen.
Wir stellen in unseren Tests gerade im Deutschen fest,
daß es an Wortgewandtheit und kreativem Umgang mit
Sprache fehlt. Das kann man nur dadurch beseitigen,
daß man frühzeitig Freude am Lesen entwickelt.

ABENDBLATT: Wie sollten Unternehmen auf die sich
verschlechternde Qualifikation der Bewerber reagieren?
SAECKER: Ich halte es für wichtig, daß man im
Anforderungsprofil nicht den Maßstab heruntersetzt und
etwas schön redet. Sonst erleben die jungen Leute
später in der Realität, daß die Welt ganz anders
aussieht. Unternehmen sollten in den Dialog mit
Schülern und Lehrern gehen und jungen Leuten
frühzeitig die Möglichkeit bieten, die Berufswelt
kennenzulernen, also Praktika anbieten und in den Job
hineinschnuppern lassen. So merken Jugendliche,
warum gute Umgangsformen, Freundlichkeit und der
Servicegedanke so wichtig sind.
Interview: ANDREA PAWLIK